
Zirkuslektionen & Tricks
Die meisten Zirkuslektionen entstammen dem natürlichen Verhaltensrepertoire der Pferde. Wenn man Pferde auf der Weide beobachtet, kann man sehen, wie sie sich im Spiel ansteigen, sich im Sand wälzen oder in der Sonne liegen. Man sieht Pferde, die einen Geruch in die Nase bekommen haben und flehmen oder die den Kopf schütteln, um die Fliegen abzuwehren. Manchmal kann man auch beobachten, wie ein Pferd sich mit den Vorderbeinen hinkniet, um unter dem Zaun hindurch das Gras auf der anderen Seite zu erwischen. Die Liste der natürlichen Verhaltensmuster, welche man in Zirkuslektionen umwandeln kann, könnte ich jetzt noch unendlich weiter führen.
In der Jungpferdeausbildung sind Zirkuslektionen meiner Meinung nach nicht wegzudenken. Unsere Pferde benötigen einen gesunden und beweglichen Körper, um ihre Arbeit ohne körperliche Schäden auszuführen. Durch Zirkuslektionen lernt das Pferd einfache Bewegungen, wie das Anheben eines Beines oder als auch komplexe Bewegungsabläufe wie das Ablegen langsam und bewusst wahrzunehmen und auszuführen. Durch Zirkuslektionen kann man die Pferde auch dazu motivieren neue Bewegungsmuster auszuprobieren, welche ihm dann auch im Alltag zur Verfügung stehen. Die Pferde bekommen ein besseres Körperbewusstsein und lernen ihren Körper zu kontrollieren, was für die Ausbildung unter dem Sattel von großem Vorteil ist. Zirkuslektionen sind abwechslungsreiche, vielseitige Trainingsübungen zur Stärkung von Körper und Psyche des Pferdes. Außerdem fördern zirzensiche Übungen die Koordination des Pferdes und die Kernstabilität des Rumpfes wird verbessert. Man kann sein Pferd durch Zirkuslektionen gymnastizieren, ohne die Gliedmaßen zu beanspruchen, was ein weiterer Vorteil in der Jungpferdeausbildung ist, da man sein Pferd auch in sehr jungem Alter vor Beginn der Longenarbeit gymnastizieren kann.
Zirkuslektionen haben aber nicht nur positive Auswirkungen auf den Körper des Pferdes, sondern auch auf ihre Psyche. Die Pferde lernen ihren Körper besser zu koordinieren und dadurch wird auch ihr Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein gestärkt. Sie werden mutiger, geschickter und stärker. Zirkuslektionen können nervöse und hektische Pferde ruhiger und entspannter machen oder faule Pferde zu mehr Mitarbeit und Fleiß motivieren. Außerdem wird das Konzentrationsvermögen und die Lernbereitschaft gestärkt, wodurch die Pferde auch für schwierige Aufgaben unter dem Sattel geschult werden.
Durch die Arbeit am Boden und die zirzenischen Lektionen lernt man sich besser auf sein Pferd einzustimmen und es besser zu verstehen. Man lernt sein Pferd ganz neu kennen, wenn man ihm vom Boden aus auf Augenhöhe begegnet und mit der Zeit lernt man die kleinsten Körpersignale richtig zu deuten und mittels feinster Hilfen zu kommunizieren. Das Vertrauen ineinander wird gestärkt und die Bindung zwischen Pferd und Reiter wird gefestigt.
Eine Grundvoraussetzung ist natürlich, dass das Pferd psychisch und physisch in der Lage dazu ist bestimmte Übungen auszuführen! Man kann von einem Pferd, welches man erst seit wenigen Tagen kennt nicht erwarten, dass es sich vertrauensvoll vor einem hinlegt. Genauso wenig sollte man mit einem Pferd, welches zum Beispiel einen Sehnenschaden hat, das Kompliment üben. Hier würden sich eher kleine Tricks, wie Lachen oder Nein-Sagen eignen, um das Pferd vom Kopf her zu beschäftigen, aber körperlich nicht zu belasten. Wenn man sich unsicher ist, sollte man generell lieber nochmal mit seinem Tierarzt Rücksprache halten!
Generell sollte jedes Pferd vor den Zirkuslektionen zumindest im Schritt gut aufgewärmt sein, damit es sich vor allem bei körperlich anspruchsvolleren Übungen keine Verletzungen zuzieht! Um das Pferd auf die Arbeit mit den zirzensischen Übungen vorzubereiten, kann man Führübungen durchführen oder eine Runde spazieren gehen. Danach fange ich immer mit den kleineren Tricks an, um das Pferd auf die Arbeit einzustimmen und die Aufmerksamkeit und Konzentration zu bekommen. Zum Schluss üben wir die schwierigeren oder körperlich anstrengenderen Aufgaben.
Ich möchte hier nun eine Liste anlegen, mit allen Tricks und Zirkuslektionen, die Amouri bereits gelernt hat. Dazu möchte ich jeweils eine Erklärung geben, wie ich ihr das beigebracht habe und welchen positiven Nutzen diese bestimmte Übung hat. Der jeweilige Weg wie ich es Amouri beigebracht habe, ist MEIN Weg. Es gibt natürlich noch jede Menge andere Möglichkeiten, wie man zum gewünschten Ziel kommen kann und jeder muss gucken, was für sich und sein Pferd der beste Weg ist. Wenn ich Amouri etwas Neues beigebracht habe, werde ich es natürlich auf der Liste ergänzen. Die meisten Tricks sind aus einem Bauchgefühl heraus entstanden oder weil ich bei Amouri ein bestimmtes Verhalten beobachtet habe und dieses dann in einen Trick umwandeln wollte.
Lachen
Für das Kommando Lachen habe ich mich vor das Pferd positioniert. In einer Hand habe ich ein Leckerli genommen, welches ich vor die Pferdenase gehalten habe. So konnte ich Amouris Oberlippe etwas nach oben locken. Dabei habe ich das Stimmkommando „Lachen“ gesagt. Amouris kleinste Bemühungen in Richtung Flehmen habe ich gelobt. Mit der Zeit wusste sie immer mehr, was ich von ihr wollte und nun reicht es nur noch den Finger anzuheben und das Stimmkommando zu geben.
Da dieser Trick auf körperlicher Ebene nur den Kopf und den Hals beansprucht, kann man diesen auch mit Pferden üben, die aufgrund von Krankheiten länger stehen müssen und z.B. die Beine nicht belasten dürfen. Die Pferde lernen ihren Kopf anzustrengen und arbeiten mit Spaß mit, wenn sie merken, dass sie etwas können und richtig gemacht haben.
Nein-Sagen
Um das Nein-Sagen beizubringen, habe ich mich vor Amouri gestellt, meine rechte Hand in Richtung ihres Ohres bewegt und sie dabei etwas hin und her geschüttelt. Dann habe ich ihr mit der Hand ein wenig im Ohr gekitzelt und mein Stimmkommando „Sag-Nein“ gegeben. Durch das Kitzeln im Ohr hat sie den Kopf geschüttelt, woraufhin ich sie sofort gelobt habe. Nach kurzer Zeit reicht es meistens, wenn man nur noch die Hand in Richtung des Ohres bewegt, um ein Kopfschütteln auszulösen. Das Stimmkommando sollte dabei jedoch nicht vergessen werden! Bald genügt es dann nur noch den gestreckten Finger ein wenig zu schütteln und das Stimmkommando zu geben.
Da manche Pferde etwas genervt davon sind, wenn man sie im Ohr anfässt und kitzelt, sollte dieser Trick nur wenige Male hintereinander geübt werden und dazwischen sollte man Pausen machen und das Pferd ausgiebig am Kopf und Hals streicheln!
Da dieser Trick auf körperlicher Ebene nur den Kopf und den Hals beansprucht, kann man diesen auch mit Pferden üben, die aufgrund von Krankheiten länger stehen müssen und z.B. die Beine nicht belasten dürfen. Eine Ausnahme sind natürlich Pferde mit Genick- oder Halswirbelsäulenproblemen! Vorrangig dient der Trick dazu das Pferd zu beschäftigen und zum Denken anzuregen. Es muss sich konzentrieren und lernt nach und nach das umzusetzen, was wir von ihm möchten. Den meisten Pferden machen solche Denkaufgaben große Freude!
Küsschen geben
Auch bei diesem Trick habe ich eine Position vor dem Pferd eingenommen. Anfangs habe ich Amouris Maul mit einem Leckerli in die Richtung meines Mundes geführt. Dazu habe ich „Kussgeräusche“ gemacht, die bei diesem Trick mein Stimmkommando darstellen. Sobald sie mit ihren Lippen meinen Mund berührt hat, habe ich sie gelobt. Als Zwischenschritt habe ich nur mit meinem Finger auf meinen Mund gezeigt und dazu das Stimmkommando gegeben. Mittlerweile reicht nur noch das Stimmkommando.
Auch dieser Trick beansprucht auf körperlicher Ebene nur den Kopf und den Hals und deswegen kann man ihn auch mit Pferden üben, die aufgrund von Krankheiten länger stehen müssen und z.B. die Beine nicht belasten dürfen. Auch diese Übung ist vor allem eine Beschäftigung für den Kopf und sollte Pferd und Reiter Spaß machen!
Gähnen
Das Gähnen ist natürlich auch ein instinktives Verhalten des Pferdes, jedoch ist es etwas schwieriger es bewusst auszulösen. Da Amouri nach der Arbeit meist sehr entspannt ist und anfängt zu gähnen, kam mir die Idee dieses Verhalten in einen Trick umzuwandeln. Dazu habe ich, sobald sie Ansätze zum Gähnen gemacht hat, mein Stimmkommando gegeben „Gähngeräusche und Hände in den Augen reiben“. Und nach dem Gähnen habe ich sie direkt gelobt. Bei Amouri ging es sehr schnell bis sie wusste, was ich von ihr möchte. Jedoch sollte man bei diesem Trick auch mal viel Geduld haben, da es etwas länger dauern kann bis die Pferde es richtig umsetzen.
Da dieser Trick auf körperlicher Ebene nur den Kopf und den Hals beansprucht, kann man diesen auch mit Pferden üben, die aufgrund von Krankheiten länger stehen müssen und z.B. die Beine nicht belasten dürfen. Es ist eine etwas schwieriger Denkaufgabe für die Pferde und somit lernen sie sich zu konzentrieren und nach und nach das Richtige umzusetzen.
Solche kleineren Tricks stärken die Bindung, da man gemeinsam etwas erarbeitet. Das Abfragen der Tricks und somit auch das Verlangen von Konzentration helfen mir Amouri in Situationen zu unterstützen, in denen sie Angst hat oder abgelenkt ist. Wenn sie z.B. beim Spazieren gehen sich vor etwas gruselt oder nicht auf mich hört und rennt, kann ich ihre Aufmerksamkeit durch das Abfragen der Tricks gut auf etwas anderes lenken und wir kommen aus der ursprünglichen Situation heraus.
Im Kreis drehen
Für diese Übung habe ich mich seitlich neben Amouris Kopf gestellt. Die Longe ist am Halfter befestigt und geht einmal auf der anderen Seite nach hinten um ihre Hinterhand rum. Das Ende der Longe habe ich in der Hand. Dann habe ich mein Kommando gegeben. Dazu habe ich meinen Zeigefinger gekreiselt und „Drehen“ gesagt. Nun muss man leicht an der Longe zuppeln und durch die Lage der Longe muss das Pferd sich nun einmal im Kreis drehen. Sobald es wieder vorne mit dem Kopf bei mir angekommen ist, lobe ich es kräftig. Das macht man auf beiden Seiten, solange bis das Pferd weiß, dass es sich im Kreis drehen soll und man die Longe weglassen kann.
Diese Übung dient vor allem der Kopfbeschäftigung. Das Pferd lernt das Verlangte umzusetzen und die Konzentrationsfähigkeit wird gesteigert.
Ablegen
Da Amouri sich nach der Arbeit immer auf dem Platz wälzen darf, konnte ich ihr das Ablegen über das Wälzen beibringen. Dazu habe ich ihr auf dem Platz zunächst meine Kommandos gegeben. Ich gehe selbst ein kleines Stück in die Knie, zeige auf den Boden und sage „Down“. Sobald sie sich dann hingelegt hat, habe ich sie sofort gelobt und gefüttert und somit das Wälzen unterbrochen. So konnten wir eine Zeit lang entspannt liegen bleiben, bis ich mich aufrichte und ihr das Kommando zum Aufstehen gebe. Dazu sage ich „Up“. Wenn sie steht, habe ich sie wieder ausgiebig gelobt. Anfangs habe ich das Ablegen nur auf dem Platz in vertrauter Umgebung geübt, bis ich es dort beliebig oft abfragen konnte und Amouri es sicher beherrscht hat. Erst dann habe ich es auch in unbekannten Orten abgefragt.
Amouri hat es schon nach dem ersten Versuch verstanden, jedoch sollte man auch bei dieser Übung viel Geduld haben, da es etwas länger dauern kann. Das Liegen an sich bedeutet keine körperliche Anstrengung für das Pferd. Das Ablegen und Aufstehen fördert jedoch die Koordination und Kraft. Vor allem ist es jedoch eine Zirkuslektion, die das Vertrauen und die Bindung zwischen Pferd und Reiter enorm fördert! Auch bei jungen Pferden ist es eine gute Vorbereitung für das spätere Reiten, da das Pferd lernt dem Menschen zu vertrauen, auch wenn dieser höher über ihm ist (wenn der Mensch steht und das Pferd liegt). Bevor man diese Zirkuslektion ausprobiert, sollte das Vertrauen jedoch schon sehr stark sein und es wäre gut, wenn das Pferd es einem vorher schon mal erlaubt hat, dass man sich neben es setzt, wenn es im Liegen geschlafen hat.
Beine anheben
Bei dieser Übung lernt das Pferd auf Touchieren die Beine im Stand anzuheben. Dazu touchiere ich das jeweilige Bein leicht und benutze mein Stimmkommando „Step“. Sobald das Pferd das gewünschte Bein anhebt, lobe ich es.
Diese Übung ist auch eine Vorbereitung zum Spanischen Schritt. Ich mache sie vor allem, weil es den Pferden dabei hilft ein besseres Körpergefühl zu bekommen. Sie lernen zu spüren „wo sie anfangen“ und „wo sie aufhören“. Außerdem wird die Koordinationsfähigkeit gefördert. Vor allem jungen Pferden mit einem noch schlechteren Körpergefühl hilft diese Übung auch mal ihre Gliedmaßen bewusst zu spüren.
Podest
Bis ich mir meinen Podest gebaut habe, nutze ich Baumstümpfe zur Übung auf dem Podest. Dazu stelle ich mich neben das Podest und locke mein Pferd nach vorne, um sich mit den Vorderbeinen darauf zu stellen. Die meisten Pferde wissen relativ schnell, was verlangt ist. Sollte das Pferd sich jedoch fürchten, darf man es in keinem Fall dazu zwingen, sondern es erstmal mit viel Ruhe mit dem Podest vertraut machen. Dazu kann man zwischendurch auch immer wieder Führübungen mit einbeziehen.
Der Prozess des Auf- und Absteigens hat einen gymnastizierenden Wert und schult in hohem Maße das Gleichgewicht und die Koordination. Das Pferd muss lernen sich auszubalancieren und den Schwerpunkt zu verlagern. Somit ist es eine spielerische Vorbereitung auf die Anforderungen unter dem Sattel. Außerdem wird das Selbstbewusstsein des Pferdes gefördert, da die meisten Pferde es genießen stolz und erhaben so weit oben zu stehen.
27. Januar 2018 at 19:01
Ich finds super toll, was du deiner Amouri schon alles beigebracht hast und möchte das mit meinem nächsten Pferd auf jeden Fall auch ausprobieren 🙂 leider musste ich meine süße Maus im Oktober einschläfern lassen und mein Alltag ohne Pferd ist nur noch halb so schön 🙁 ich hoffe, dass sich mein Traum nach einem neuen Pferd bald realisieren lässt 🙂
7. Februar 2018 at 21:00
Vielen lieben Dank!! ? Ich drücke dir ganz fest die Daumen, dass dein Traum in Erfüllung geht!! ?